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Agrar- und Ernährungswiss. Fakultät | Institut für Agrarökonomie
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Abteilung Innovation und Information

Montag, 11. Februar 2008

Private Haushalte 2020

Geesa Theessen und Kerstin Urban

Der private Haushalt ist in zweierlei Sinne zu betrachten: Einerseits stellt er eine Einheit dar, die mit der Umgebung (andere Haushalte, Unternehmen, Staat) in Interaktion tritt, andererseits ist er aus wirtschaftlicher Sicht als eines der letzten Glieder der Supply Chain zu betrachten. So steigt die Wertschöpfung auf dem Weg der Verarbeitung von Produkten im Rahmen der Supply Chain, bis sie als Ressourcen in die interne Transformation im privaten Haushalt eingehen. Insgesamt darf der Haushalt folglich nicht isoliert betrachtet werden, wenn es um die Effekte der bis 2020 wirkenden Megatrends auf ihn geht.

Zunächst sind bei einer Abschätzung möglicher Entwicklungen Änderungen der Rahmenbedingungen mit zu betrachten. Hier wirken in großem Maße die schon zuvor betrachteten Megatrends der digitalen IT, während auch die Entwicklung von Institutionen eine Rolle spielt und der demographische Wandel von großer Bedeutung ist. So wird sich beispielsweise die Bevölkerungszahl in Deutschland bis 2020 auf weniger als 80 Millionen reduzieren und danach weiterhin einem negativen Trend folgen. Dabei wird es laut Schätzungen des statistischen Bundesamts zu einer Änderung der Haushaltsstruktur kommen, indem die Zahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte um mehr als 10 % ansteigen wird, während größere Haushalte seltener werden.

Als grundlegende Herangehensweise an eine Abschätzung möglicher Entwicklungen können Kontratjew-Zyklen herangezogen werden. Diese so genannten „langen Wellen der Konjunktur“ lassen sich auch auf den Technikbereich übertragen und versprechen ein Andauern der aktuellen Phase zunehmender IT-Verbreitung und -Integration. Zudem werden mit Blick auf den Privathaushalt unter anderem mittels Szenario- und Delphianalysen Prognosen zukünftiger Entwicklungen aufgezeigt. Hier kommt es jedoch meist zu einer Fokussierung auf den Haushalt als Teil seiner Umwelt, während vorgelagerte Bereiche und Verflechtungen mit der Supply Chain außer Acht gelassen werden. So kommt es zu einer Abgrenzung der Hauptfelder Wohnung, Arbeitsplatz, Gesundheitswesen und Mobilität.

Eine breitere Betrachtung lässt die Erwartung zu, dass es zu einer Durchsetzung der Umwelt mit Computer kommen wird („Ubiquitous Computing“), was intelligente Wohnumgebungen impliziert, die in öffentliche Netzwerke eingebettet sind. Dem Haushalt werden Produkte angeboten, die tendenziell einen hohen Verarbeitungsgrad und – idealerweise – auch eine hohe Produktqualität aufweisen.

Hinsichtlich der Anwendung neuer Technologien hat es sich (u. a. im Falle von RFID) gezeigt, dass diese zunächst in der Industrie Verbreitung finden und später auch in den privaten Bereich übergehen. Gründe für diese Verzögerung könnten darin liegen, dass der Haushalt über weniger finanzielle Mittel für eine frühzeitige Übernahme verfügt, nicht so spezialisiert ist, dass eine Technologie sich früh lohnt und dass für die Bildung nötigen Humankapitals ebenfalls Kosten anfallen. Dieses Kosten-Nutzen-Verhältnis verbessert sich durch den Effekt der sinkenden Durchschnittskosten erst zu einem späteren Zeitpunkt für den Haushalt. Bei Einbezug der Entwicklung zunehmender Berufstätigkeit mehrerer Haushaltsmitglieder könnte ein leichterer Einzug neuer Technologien in den Privathaushalts erwartet werden, da hier schon mehr notwendiges Humankapital vorhanden ist.

Dass durch eine Zunahme der Nutzung von IT im privaten Bereich die soziale Komponente zurückgedrängt wird, kann nicht mit Sicherheit angenommen werden, da diese Technologien nicht immer als Substitut, sondern häufig auch als Komplement wirken (z. B. SMS). Der zusätzliche Nutzen, der dem Haushalt durch neue Technologien entsteht (u. a. Informationsangebot, Zeitersparnis), muss in jedem Falle unter dem Aspekt der Ressourcenknappheit (Aufmerksamkeit, Zeit, finanzielle Mittel) betrachtet werden. Der Entscheidung für oder gegen die Übernahme einer neuen Technologien wird also eine Abwägung des Nutzens und der Kosten vorangehen, wobei nicht nur die direkten Kosten des Produkts, sondern auch seine Benutzerfreundlichkeit (intuitive Bedienbarkeit), Sicherheit und weitere Komponenten eingehen. Damit verbunden sind auch die Charakteristika der Anwender (u. a. Alter, Technikaversion, Vertrautheit mit Technik).

Um wiederum den Verknüpfungspunkt zwischen Haushalt und Supply Chain zu betrachten, sind an dieser Stelle Interaktionen zu erwarten: Nicht nur werden die Hersteller von Produkten einen Einfluss auf den Haushalt ausüben, sondern auch die Haushalte selbst und ihre speziellen Charakteristika werden die Wertschöpfungskette beeinflussen. Beispielsweise die im Rahmen des demografischen Wandels entstehenden Änderungen der Bevölkerungsstruktur ziehen neue Anforderungen an die Industrie nach sich. Hier ist beispielsweise der Bereich der Gemeinschaftsverpflegung in Mensen und Altersheimen zu nennen, sowie Verpackungsgrößen, Logistik, Ladenöffnungszeiten etc. Je mehr Kosumentensouveränität vorausgesetzt wird, desto eher wird hier angenommen, dass die Bedürfnisse der Haushalte die Produktion mit steuern, anstatt in ihren Präferenzen vom Angebot abhängig zu sein.

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