Die Delphi-Methode wurde in den 50er Jahren in den USA entwickelt und verdankt ihren Namen dem „Orakel von Delphi“. Bei der Delphi-Methode wird eine sorgfältig ausgewählte Expertengruppe wiederholt schriftlich zu zukünftigen Ereignissen, Trends, technischen Entwicklungen und dergleichen befragt. Die anonymen Antworten der einzelnen Teilnehmer werden nach jeder Fragerunde zusammengefasst und allen Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Durch die kontrollierte Rückmeldung wird die Interaktion der Gruppe aufrecht erhalten und ein Lernprozess angestoßen, der über eine mögliche Revision der Antworten zu einem verfeinerten Ergebnis der Studie führen soll. Ziel ist die Bildung einer Konsensmeinung. In der Regel wird bereits nach 3 Runden eine hinreichende Konvergenz der Expertenmeinung erzielt. Sollte dies nicht gelingen, können zumindest Meinungsverschiedenheiten aufgedeckt werden.
Diese formale Analysemethode von Zukunftsprobleme findet gerade dann ihre Anwendung, wenn andere (z.B. statistische) Verfahren versagen. Zusätzlich kann sie der Unterstützung anderer Methoden dienen, um Informationen für den Entscheidungsfindungsprozess bereit zu stellen.
Die Delphi-Methode versucht die Vorteile einer Gruppendiskussion zu nutzen und die Nachteile solch einer Befragungsmethode zu vermeiden. Dies gelingt ihr durch folgende drei sie auszeichnende Eigenschaften.
- Anonymität: Die einzelnen Experten wissen nicht, wer noch an der Studie teilnimmt bzw. wie die einzelne Einschätzung eines Experten zu einem bestimmten Ereignis ist. So fällt es den Experten leichter ihre Meinung zu revidieren, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Zudem kann die Meinung eines einzelnen nicht durch die Meinung eines anderen Experten dominiert werden und der Gruppenzwang, eine Konsenslösung zu finden, wird durch die Anonymität abgeschwächt.
- Wiederholte Fragerunden mit kontrollierter Rückmeldung: Zu jeder Fragerunde erhalten die Experten die statistische Auswertung der vorhergegangen Runde sowie zusammengefasste Kommentare. Dies soll einen Lernprozess bei den Teilnehmern anregen und dazu führen, dass die Schätzung durch ein Überdenken und eventuelles Ändern der eigenen Meinung verfeinert wird. Zudem wird durch die Rückmeldung die Interaktion der Gruppe sichergestellt.
- Statistische Auswertung: Nach jeder Runde können die Einschätzungen der Experten statistisch ausgewertet werden, z.B. durch die Bildung des Medians sowie der oberen und unteren Quartile. Ist der Quartilabstand (Differenz zwischen oberen und unteren Quartil) relativ „eng“, spricht man von einer Konsensmeinung. Ist er dagegen relativ „weit“, bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Experten. Aus bisher durchgeführten Delphi-Studien haben sich folgende Beobachtungen ergeben: Die relative Unsicherheit (Verhältnis von „Quartilabstand“ zu Vorhersagezeitraum) ist recht konstant. Die absolute Unsicherheit wächst dagegen mit der Länge des Vorhersagezeitraums. Ist für eine einzelne Schätzung die relative Unsicherheit wesentlich größer (kleiner) als die durchschnittliche relative Unsicherheit aller erhobenen Fragen, dann ist die Einigkeit in diesem Punkt wesentlich geringer (größer) als in den restlichen Fragestellungen.
Der Vorteil der Delphi-Methode gegenüber einer einzelnen Expertenmeinung kann durch den Delphi-Effekt begründet werden. Der Delphi-Effekt bezeichnet das Phänomen, dass die gemittelte Meinung einer Masse von gleich kompetenten Beobachtern etwas zuverlässigere Vorhersagen ergibt als die eines einzelnen willkürlich herausgepickten Beobachters.
Die Durchführung einer Delphi-Studie sollte sorgfältig durchdacht werden, um ihrer mangelnden Standardisierung (wie z.B. Auswahl und Anzahl der Teilnehmer, Anzahl der Runden, Design der Rückmeldung, etc.) entgegenzuwirken und so die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Durchführung zu erhöhen. Des Weiteren kann der Moderator die Studie verfälschen, in dem er seine eigene Meinung in die Rückmeldungen einbringt (Manipulation).
Mit der Delphi-Methode kann nur eine abgegrenzte Problemstellung betrachtet werden. Die Teilnehmer sind nur auf einem begrenzten Gebiet Experten und können nicht alle möglichen Einflüsse aus anderen Bereichen, bzw. Wechselwirkungen von Ereignissen, prognostizieren.
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